Sehr geehrte Staatsoberhäupter!
Die russischen Rechtsschutzorgane sind von Korruption befallen, sie erfüllen die Anweisungen der politischen Machtorgane zum Schutz ihrer eigenen Geschäftsinteressen – all das führt dazu, das Vertrauen in die Ausweisungsanträge, die von der Staatsanwaltschaft der RF gestellt werden, zu untergraben. Indes ist die Ausweisung das wichtigste Institut der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf dem rechtlichen Gebiet –in Russland wird sie oft als ein Instrument der gesetzlosen Abrechnung mit Menschen genutzt.
Selbst bei aller formalen Rechtmäßigkeit der aus Russland kommenden Anträge ( was bei weitem nicht immer der Fall ist) gibt es keine Gewähr dafür, dass sie mit der Unterzeichnung eines Beschlusses über die Auslieferung des Verdächtigen in seine Heimat die Menschen keinen Schaden erleiden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der nach Russland Ausgelieferte kein faires und unabhängiges Gerichtsverfahren bekommen, sondern im Rahmen eines nur scheinbar rechtmäßigen Verfahrens bestraft.
In diesem Sinne gibt es keine „einfachen“ Fälle von Auslieferungen nach Russland, Verbrechen gegen die Persönlichkeit können in Wirklichkeit die Verfolgung eines Unternehmers tarnen, dem man mit Hilfe der gewissenslosen Rechtsschutzmaschinerie dessen Geschäft zu entreißen versucht. Mit Hilfe angeblicher Beschuldigungen wegen Wirtschaftsverbrechen versuchen die russischen Behörden immer wieder, mit ihren politischen Opponenten abzurechnen.
Heutzutage muss sich jede Amtsperson der westlichen Staaten, die mit der russischen Seite in Fragen der Auslieferung zusammen arbeiten, darüber klar werden, wie viel von ihrem Beschluss abhängt. Jedes mal wird das Leben eines konkreten Menschen, das Leben und die Gesundheit seiner Angehörigen und Nächsten aufs Spiel gesetzt.
Der an Russland ausgelieferte Mensch wird unweigerlich mit dem inhumanen System konfrontiert, das sich über seine Verfassungsrechte hinwegsetzt. Der Angeklagte kann in der russischen Untersuchungshaft umkommen, weil ihm die notwendige und minimale medizinische Hilfe nicht zuteil wird, wie dies mit dem Juristen Sergej Magnitskij der Fall war. Die Untersuchungsrichter können einen Zeugen krankenhausreif zusammenschlagen, wenn dieser sich nicht einverstanden erklärt, die in ihren Augen notwendigen Aussagen zu machen – wie dies mit dem spanischen Bürger Antonio Valdes-Garcia geschah, der im „Fall Jukos“ aussagte. Gefälschten Anklagen zufolge können in Russland die Menschen zweimal für ein- und dieselbe Tat verurteilt werden – als Beispiel sei hier die strafrechtliche Verfolgung von Chodorkowskij und Lebedew genannt.
Wir vertreten den Standpunkt, dass die Auslieferung den Zeitpunkt einer rechtmäßigen gerichtlichen Entscheidung nähern muss, sie darf dem Menschen auf keinen Fall einen jeglichen Zugang zum rechtlichen Gehör verweigern. In den russischen Gerichten machen die Freisprüche weniger als ein Prozent aus und sie werden selbst von der richterlichen Vereinigung beinahe als absolute Ausnahme wahrgenommen.
Deshalb treten wir für die Einführung eines Moratoriums durch die europäischen Gerichte zur Erörterung von Anträgen der russischen Seite zwecks Auslieferungen ein. Jedes andere Herangehen verwickelt unserer Meinung nach die westlichen Justizorgane in Prozesse, für deren endgültige Rechtmäßigkeit keiner bürgen kann.
Die russische Regierung missbraucht die Mechanismen der internationalen Abkommen über die Auslieferungen und die Amtshilfe von Interpol und sonstige Konventionen bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität, um unschuldige Menschen zu verfolgen: entweder ihre politischen Opponenten oder aber diejenigen, deren Eigentum die Beamten an sich gerissen haben oder reißen wollen, oder einfach diejenigen, mit denen sie persönlich abrechnen wollen.
Wir rufen alle Länder des guten Willens auf, Mechanismen auszuarbeiten, sowohl auf zwischenstaatlicher als auch auf nationaler Ebene, ihre nationalen Rechtssysteme und Mechanismen der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit vor dem Missbrauch seitens der russischen Behörden zuverlässig zu schützen. Vor der Ausarbeitung solch effektiver Mechanismen muss das volle Moratorium auf alle Arten der rechtlichen Zusammenarbeit mit Russland, darunter die Auslieferungen, für die Erweisung der rechtlichen Hilfe, für die Erfüllung von Aufträgen im Rahmen des Interpol-Systems verhängt werden.
Sie können den Appell an Ihre Regierung unterschreiben, indem Sie auf unsere Webseite gehen, Sie können dies in einer beliebig anderen Form machen.
Wir unterbreiten diese äußerste Maßnahme und hoffen aufrichtig, dass in nächster Zeit der rechtliche Nihilismus, der das Rechtsschutz- und das Gerichtssystem Russlands durchdrungen hat, bezähmt wird und wir zu einer weitgehenden Zusammenarbeit mit der EG in Sachen der Auslieferung zurückkehren.
Naum Nim, Chefredakteur der Zeitschrift «Index-dosie na zensuru»
Grigirij Pasko, Journalist
Grigorij Tchhartischvili, Literaturschaffende
Ludmila Alekseeva, Vorsitzende der Moskauer Helsinkier Gruppe
Sergej Kovalev, Menschenrechtler
Vladimir Bukovskij, Menschenrechtler
Natalia Fateeva, Schauspielerin
Lev Ponomarev, Menschenrechtler
Aleksej Simonov, Präsident der Stiftung «Fond Zaschity Glasnosti»
Nina Katerli, Schriftstellerin, Menschenrechtlerin, der Mitglied des Russischen PEN-Zentrum
Viktor Schenderovitch, Literaturschaffende
Jurij Vdovin, Menschenrechtler
Ernst Tchernij, Menschenrechtler
Lidia Grafova, Journalist
Jurij Schadrin, Menschenrechtler
Jurij Schmidt, der Vorsitzender des Menschenrechtsschutzes der Rechtsanwalten
Andrej Satoka, Kopraesident des Rates MSoES
Jurij Ryzhov, Mitglied der Akademie RAN, Staatspreisträger
Michail Krieger, der Bund der Solidarität mit politischen Gefangenen
Artem Kubyschkin, der Bund der Solidarität mit politischen Gefangenen
Sergej Davidis, der Bund der Solidarität mit politischen Gefangenen
Tatjana Monakhova, Bibliothekar
Igor Sutyagin, Wissenschaftler, Gefangene des Gewissens
Vladimir Korsunskij, Journalist
Aleksej Kozlov, Unternehmer
Olga Romanova, Journalist
Gleb Jakunin, Priester, Mitglied der Moskauer Helsinkier Gruppe, Ausschuß der Gewissensfreiheit Verteidigung
Mascha Gessen, Journalist
Irena Podolskaja, Philologe
Marietta Tchudakova, Mitglied der Europaische Akademie, Professor des Literaturinstitutes
Lilija Schibanova, Exekutivdirektor der Assoziation «GOLOS»
Alexander Nikitin, Menschenrechtler, Ökologe
Konstantin Kosjakin, Koordinator der Organisation «Levij Front»
Michael Kozab, Exminister Tschechien im Gebiet der Menschenrechte und nationalen Minderheiten
Sergej Udaltsov, Koordinator der Organisation «Levij Front»
Elena Khodorkovskaja
Lija Achedzhakova, Volksschauspielerin Rußlands
Sergej Gandlevskij, Literaturschaffende
Vladimir Kara-Mursa, Journalist